Danial Sarfraz ist Geschäftsführer und Gesellschafter von Ascensify. Er kennt die IT-Herausforderungen mittelständischer Unternehmen aus eigener Erfahrung – und findet für seine Kunden heute deshalb Lösungen statt Probleme.
Was ist ein ERP?
ERP steht für Enterprise-Resource-Planning. ERP-Systeme sind Softwarelösungen. Sie unterstützen Unternehmen dabei, den Einsatz ihrer Ressourcen effizient und effektiv einzuplanen. Dazu gehören je nach Unternehmen das Personal sowie die finanziellen Mittel, Rohstoffe und Materialien.
Welches ERP-System passt zu meinem Unternehmen?
Es wäre wünschenswert, wenn sich das so pauschal beantworten ließe. Fakt ist aber: Die Auswahl eines ERP-Systems ist ein umfangreicher, analytischer Prozess.
Je nach Branche, Unternehmensgröße und individuellen Anforderungen geht es zunächst darum, die Basis-Version eines ERPs zu finden, die bereits einen Großteil der gewünschten Funktionen mitbringt. Anschließend gibt es diverse Möglichkeiten, das ERP perfekt an das jeweilige Business anzupassen.
Warum ist ein ERP-System wichtig?
ERP-Systeme können Unternehmen profitabler machen. Ein perfekt abgestimmtes ERP-System schafft eine gemeinsame Datenbasis für alle Akteure eines Unternehmens.
Personalwesen, Rechnungswesen, Ressourcenplanung, Materialwirtschaft, Produktionsplanung: Alle Aufgabenbereiche sind zentral im ERP-System erfasst. Das macht Strukturen und Prozesse für sämtliche Abteilungen eines Unternehmens transparent.
Das ERP verhindert damit doppelte Arbeiten, Wartezeiten beispielsweise in Produktionsketten und zeitaufwändige Rückfragen.
ERP-Auswahl: Die Checkliste
Unsere Checkliste zur ERP-Auswahl führt durch die einzelnen Schritte zu einer fundierten Entscheidung für (oder gegen) ein bestimmtes ERP-System wie Microsofts Navision, auch bekannt als Business Central. Wir verwenden Sie selbst in jedem unserer Kundenprojekte.
1. Projektstart zur Auswahl des ERP-Systems
Entscheidend für die ERP-Auswahl sind neben der Unternehmensgröße vor allem die individuellen Anforderungen an das System. Setzen Sie deshalb zum Projektstart ein Team ein, das die Auswahl Schritt für Schritt übernimmt.
- Sie haben sich bewusst gemacht, dass die ERP-Auswahl alle Abteilungen des Unternehmens einschließt: Management, Fachabteilungen und IT gleichermaßen.
- Allen Beteiligten ist das Ziel klar: Das ERP-System soll eine Brücke schlagen zwischen Unternehmensstrategie, Geschäftsprozessen und der IT.
- Projektdauer und Projektbudget sind festgelegt.
- Die Geschäftsführung unterstützt die Entscheidungen des Projektleiters
Tipp: Bei 50-100 Mitarbeitenden ist ein Team aus zwei bis drei technisch versierten Mitarbeitenden und je ein bis zwei Key-Usern aus unterschiedlichen Fachabteilungen ideal.
2. Analyse der Geschäftsprozesse
Bevor die Suche nach dem passenden ERP-System startet, muss klar sein, was das Programm überhaupt alles können und erfassen soll. Genau dafür brauchen Sie die Geschäftsprozess-Analyse.
Das Projektteam sollte sich also diese zentralen Checklisten-Fragen stellen:
- Was genau ist der Inhalt des jeweiligen Geschäftsprozesses?
- Wer ist in den Prozess involviert?
- Wie wird etwas umgesetzt?
- Welche Geräte und Produkte sind elementar für den Prozess?
- Wo sind die Schnittstellen zu anderen Abteilungen?
- Wann findet welcher Schritt statt?
Ziel der Geschäftsprozess-Analyse ist nicht nur, Abläufe zu erfassen und zu verstehen. Die Analyse ist auch der ideale Moment, um über viele Jahre etablierte Prozesse kritisch zu hinterfragen.
Als Prozessberater decken wir in diesem Schritt oft ungenutzt und ungeahnte Potenziale auf.
Tipp: Die Analyse der Geschäftsprozesse sollten abteilungsfremde Mitarbeitende übernehmen, weil sie leichter über den Tellerrand blicken können und Prozesse neutraler beurteilen als Anwendende, die unmittelbar betroffen sind.
3. Lastenheft erstellen
Das Lastenheft ist eine Liste aller Funktionen, die das ERP beherrschen soll. Das Projektteam teilt das Lastenheft ein in technische und funktionale Anforderungen und ergibt sich aus der Analyse der Geschäftsprozesse
- Technische Anforderungen sind zum Beispiel die Möglichkeiten, MS-Office zu integrieren oder eine Importschnittstelle für Artikeldaten im XML-Format.
- Zu den funktionalen Anforderungen an ein ERP-System zählen alle konkreten Aufgaben, für die Ihre Firma das ERP braucht. Zum Beispiel: Projektpläne oder Gantt-Diagramme darstellen.
Sobald alle Anforderungen klar sind, priorisiert das Projektteam die Positionen im Lastenheft nach ihren jeweiligen Bedeutungen. Wir empfehlen dafür die MoSCoW-Methode, die wir auch bei Ascensify für die Erstellung von Lastenheften für unsere Kunden verwenden.
Mit der MoSCoW-Methode weist das Projektteam allen Anforderungen einen Wichtigkeitsgrad zu:
- Muss: Ohne diese Lastenheftposition geht nichts.
- Sollte: Diese Anforderungen ist wichtig, kann aber im Notfall auch entfallen.
- Könnte: Eine nicht-kritische Nice-to-have-Position.
- Unnötig: Auch Ihr Team sich diese Anforderung wünscht, ist sie für das Projekt letztlich doch nicht nötig.
Tipp: Wir empfehlen, maximal 60 Prozent der Positionen im Lastenheft als Muss zu definieren. Auch, wenn es schwerfällt.
Fazit: Die Checkliste für das Lastenheft umfasst also:
- Technische Anforderungen
- Funktionale Anforderungen
- Kategorisierung aller Anforderungen nach Muss, Sollte, Könnte und Unnötig.
4. Passende ERP-Anbieter finden
Im vierten Schritt gleichen Sie die im Lastenheft definierten Anforderungen mit den diversen ERP-Anbietern und deren Systemen ab.
- Die Marktanalyse und das Benchmarking geben einen Überblick, welche Anbieter in Frage kommen und was die jeweiligen ERP-Systeme im Vergleich können.
- Wählen sie die für Ihr Unternehmen acht besten Anbieter aus.
- Schicken Sie den ERP-Anbietern Ihr Lastenheft mit der Bitte um Abgleich und Machbarkeit, um eine individuelle Lösung für Ihr Unternehmen zu finden.
- Wählen Sie die drei geeignetsten ERP-Anbieter aus, abhängig von den Rückmeldungen auf den Abgleich zwischen Lastenheft und ERP-System.
Tipp: Nach Schritt 4 sollten maximal drei Konkurrenz-Systeme übrigbleiben.
5. Auswahl der besten ERP-Systeme & Ausschreibung
Im Ausschlussverfahren verringert das Projektteam im fünften Schritt die Liste weiter auf nur noch zwei in Frage kommende ERP-Anbieter:
- Referenzen überprüfen
- Angebote der drei Favoriten einholen
- Angebote auswerten: Vergleichen Sie die Kosten für Lizenzen, Beratung, Schulung, Projektleitung und Spesen.
Ziel: Am Ende von Schritt 5 sind noch maximal zwei geeignete ERP-Systeme im Rennen. Oft steht an dieser Stelle bereits der Favorit fest.
Sie wollen das ERP Business Central von Microsoft in Ihrer Firma implementieren?
6. Optional: Proof of Concept für die ERP-Systeme
Wenn nach Schritt 5 noch zwei Favoriten übriggeblieben sein sollten und die endgültige Auswahl schwerfällt, empfehlen wir, einen POC durchzuführen.
- Spielen Sie alle Muss-Anforderungen (und nur diese!) fiktiv durch
- Planen Sie dafür Detail-Workshops ein
- Testen Sie die ERP-Systeme unter realen Alltagsbedingungen. Setzen Sie dafür die gesamte Systemlandschaft auf, um mit dem ERP arbeiten zu können – inklusive aller Daten, die Sie für die Muss-Anforderungen brauchen.
- Planen Sie für den POC acht bis zwölf Wochen Zeit ein.
Tipp: Mit einem POC prüft das ERP-Projektteam die wichtigsten Anforderungen an das System in allen Details. Dadurch lassen sich im Anbietervergleich kleine, aber entscheidende Unterschiede zwischen den ERP-Systemen aufdecken.
7. Vertragsverhandlungen
Das Ziel ist erreicht, der favorisierte ERP-Anbieter und das passende System sind gefunden. Im siebten Schritt machen Sie Nägel mit Köpfen und verhandeln die individuellen Vertragsinhalte.
Achten Sie dabei auf:
- Die Leistungsbeschreibung und das Pflichtenheft. Dort ist skizziert, wie die Anforderungen aus dem Lastenheft konkret umgesetzt werden sollen
- Nebenleistungen wie Aufwand für Schulungen, Datenmigration, Dokumentation etc.
- Regelungen zum Change-Management. Was passiert, wenn während des Projekts Änderungen anstehen? Ist der ERP-Anbieter grundsätzlich offen dafür? Wie würden sich die Änderungen auf das Budget und das Team auswirken?
- Service und Support: Was passiert bei Fehlfunktionen? Rückfragen? Vereinbaren Sie am besten verbindlich die maximalen Reaktionszeiten für alle Servicefragen.
8. Das ERP implementieren
Es ist so weit! Das ERP ist einsatzbereit. Jetzt geht es darum, das System im laufenden Betrieb Ihres Unternehmens zu implementieren.
Die drei entscheidenden Schritte für Ihre Checkliste:
- Die Datenübertragung vom alten ins neue System. Achtung: Wir erleben regelmäßig, dass Firmen die Dauer und das Ausmaß einer Datenmigration unterschätzen. Es geht um Artikel, Kontakte und Lieferanten, also um die zentrale Datenbasis. Und die will nicht nur einfach übertragen, sondern für das neue ERP System aufbereitet, gepflegt und erweitert werden.
- Bevor das neue ERP-System live zum Einsatz kommt, haben Sie die Datenmigration ausführlich getestet und abgenommen.
- Das Team ist geschult worden. Es gibt Key-User, die ihr Wissen intern weitergeben und bei Fragen helfen können.
- Ideal, aber optional: Das Testsystem bleibt noch eine Weile parallel zum Live-ERP-System bestehen. So können Mitarbeitende bestimmte Vorgänge erst einmal risikofrei durchspielen.
Fazit: So klappt die ERP-Auswahl
Bei der Entscheidung für ein ERP-System kommt es auf einen fundierten Auswahl-Prozess an. Dafür definiert ein abteilungsübergreifendes Team gemeinsam die Anforderungen und spielt systematisch durch, wie sich das ERP-System in den Unternehmensalltag integrieren lässt.
Der nicht zu unterschätzende Vorteil: Die Mitarbeitenden können sich mit dem neuen System schnell identifizieren und sind von Anfang an bereit, das neue ERP zu akzeptieren.